Nacht, nicht immer nur als Abwesenheit des Sonnenlichtes gedacht, sondern auch symbolhaft mit dem geheimnisvollen Dunkel und dem bergenden Mutterschoß in Verbindung gebracht. Die griechische Mythik betrachtete die Nacht zwiespältig, und zwar einerseits als große Göttin Nyx in schwarzem, sternenbesetztem Gewand, die tagsüber in einer Höhle im fernen Westen wohnt, aus der sie allabendlich in einem mit schwarzen Pferden bespannten Wagen über den Himmel gefahren kommt. Sie wird auch mit schwarzen Flügeln dargestellt. Im dichterischen Bild (bei Aischylos) heißt es, der Mond ist das Auge der schwarzen Nacht. Als Spenderin des Schlafes und Sorgenlöserin trug sie den Namen Euphrosyne oder Euphrone. Ihr Sohn ist Hypnos, der Traum. So ist Nyx die Mutter des Schlafes, der Träume und des Liebesgenusses, doch auch des Todes.
Ihr unheimlicher Aspekt macht sie dazu noch zur Mutter verderblicher Brut wie Moros (Verderben), der Rachegöttin Nemesis und der Schicksalsspinnerinnen (der Moiren, lat. Parcae, Parzen). Die von den Römern Nox genannte Göttin wird im Mythos als Geschöpf des Chaos bezeichnet, zusammen mit Erebos (Dunkelheit), Ge (Erde), Eros und Tartaros geboren.
Ihr Bruder Erebos zeugte mit ihr auch Aither (Äther, obere Luft) und Hemera (den Tag). Wenn der Tag in sein Nachthaus zurückkehrt, tritt Nyx ihre Reise über die Welt an. Ein Kult wurde ihr nicht gewidmet, doch selbst Zeus (Jupiter) soll vor ihr heilige Furcht empfunden haben.
Erd- und Totenkulte (»chthonische« Riten) wurden in vielen Kulturen zur Nachtzeit zelebriert, im frühen Christentum in erster Linie wegen der nötigen Geheimhaltung der Zusammenkünfte. Später wurden den Hexen nächtliche Orgien (Walpurgisnacht!) zugeschrieben. Im Christentum ist die Osternachtfeier der Angelpunkt des Kirchenjahres, mit der Weihe des Feuers, der Kerzen und des Taufwassers, die früher gern sofort zur Spendung des Taufsakramentes verwendet wurden. Im Vordergrund steht hier jedoch die Vorfreude auf den heraufdämmernden Tag der Auferstehung.
In Sagen des Alpenraumes ist von einem gespenstischen Nachtvolk die Rede, das »umgeht« und die Menschen schreckt, die nicht in ihren Häusern bleiben.